© Adelholzener
Das muss man sich erstmal trauen: Kevin Keler schaut knapp 20 Meter in die Tiefe. Er überprüft den Halt seines Brustgurts und den Sitz des Sicherungsseils. Dann schiebt er sich langsam über den Abgrund und sagt mit gepresster Stimme: „Alles gut, es kann losgehen!“ Kristina Kramm, Mitarbeiterin im Bergwacht-Zentrum für Sicherheit und Ausbildung (BW-ZSA) in Bad Tölz, gibt Seil und der 17-Jährige schwebt langsam an der senkrechten Kletterwand in die Tiefe.
Der Tag ist für die 50 Auszubildenden aus allen drei Lehrjahren der Adelholzener Alpenquellen etwas besonderes. Mit dabei sind zum Abschluss der ersten Kennenlernwoche auch 19 neue Berufsanfänger des Mineralbrunnens aus Siegsdorf - ein neuer Rekord in der Firmengeschichte. Gemeinsam übt sich der Nachwuchs im Teambuilding in Extremsituationen. Begleitet werden sie von acht Ausbildern und Mitarbeitern der Personalabteilung. Das weltweit einzigartige Trainings- und Simulationszentrum wurde nicht zufällig für den Tagesausflug zum gegenseitigen Kennenlernen ausgewählt.
Die frühere Generaloberin Schwester Theodolinde von der Kongregation vom heiligen Vinzenz von Paul – der Eigentümerin der Adelholzener Alpenquellen – und der frühere Landtagspräsident und Bergwachtvorsitzende Alois Glück – er starb heuer im Februar – gaben den Anstoß zur Gründung des 2008 in Betrieb gegangenen Trainings- und Ausbildungszentrums der Bergwacht. Es wird aktuell zum „Bayerischen Zentrum für Alpine Sicherheit“ erweitert.
Die Anlage ist für Einsatzkräfte der Luft-, Wasser-, Berg-, Höhen- und Höhlenrettung sowie von Katastrophenschutz und Polizei aus ganz Bayern konzipiert. Diese können hier organisationsübergreifend das Verhalten in besonderen Einsatzlagen und für Ausbildungszwecke trainieren. Speziell die Simulation von Hubschraubereinsätzen ist weltweit einmalig. Die Adelholzener Alpenquellen haben den Bau, Betrieb und die Erweiterung des Trainingszentrums in Bad Tölz durch drei Spendenaktionen „Wasser rettet Leben“ 2004, 2008 und 2020 mit zusammen knapp 500.000 Euro unterstützt.
Beim Betreten der 20 Meter hohen und 12.000 Quadratmeter großen Hightech-Halle staunen die Auszubildenden nicht schlecht. Mithilfe von zwei nachgebauten, beweglichen Rettungshelikoptern an einem schweren Kranaufzug lässt sich die Bergung von Verunglückten aus einer Seilbahngondel oder aus dem Sessellift per Rettungsseilwinde simulieren.
Nachdem sechs Gruppen für verschiedene Übungsstationen eingeteilt sind, beginnt für acht Azubis der „Ernstfall“. Mit lautem Geknatter aus dem Lautsprecher und einem kräftigem Windschwall aus dem Ventilator hebt der Rettungshubschrauber ab. Mit bangen Augen verfolgen währenddessen die Azubi-Kolleginnen in der schaukelnden Seilbahngondel darunter das Geschehen. Ein leichter Schrecken fährt ihnen in die Glieder, als der Retter aus der Luft mit einem leichten Knall die Tür der Gondel öffnet: Die Bergung kann beginnen.
„Das ist schon eine sehr außergewöhnliche Situation, man braucht Vertrauen, kommt an eigene Grenzen und traut sich etwas, was man normalerweise nicht tun würde“, kommentiert Melanie Schneider. Sie hat im ersten Lehrjahr ihre Ausbildung zur Chemielaborantin bei den Adelholzener Alpenquellen begonnen.
Auch an den anderen Stationen herrscht emsiges Treiben. Begleitet von Mitarbeitern des Bergwacht-Zentrums üben die Azubi-Gruppen und Ausbilder am Klettersteig oder beim Abseilen aus luftiger Höhe. Mut, Balance und Fingerspitzengefühl braucht man beim wackeligen Getränkekistenstapeln am Sicherungsseil. In der Kältekammer geht es bei minus zehn Grad um Wärmeschutz und das Verhalten bei Notfällen. Neben Vorträgen über Bergwachteinsätze übt eine andere Gruppe auch die Bergung von Verletzten mit Rettungssack und mobiler Trage.
Für Sven Lein, Ausbilder für Lagerlogistik bei Adelholzener, „stärkt die gegenseitige Hilfe und Unterstützung der gemischten Azubis-Teams an den Stationen den Zusammenhalt und ist damit auch in der Wertevermittlung für den Berufsalltag nützlich“. Roland Ampenberger, Vorstand der Stiftung Bergwacht dem Träger des BW-ZSA, erklärt dass die Bergwacht in Bayern mit jährlich 9.000 Einsätzen stark gefordert sei. Das Trainingszentrum sei ideal, „um die Einsatzkräfte bei wachsenden Anforderungen im Risiko- und Krisenmanagement für den Schutz der Bevölkerung bestens auszubilden“.
Azubi-Rekord bei Adelholzener
Mit 19 neuen Auszubildenden bei mehr als 700 Mitarbeitern verzeichnen die Adelholzener Alpenquellen in diesem Herbst die bisher höchste Zahl an Berufseinsteigern in der Firmengeschichte. Die jungen Talente starten in acht Fachrichtungen, darunter auch die erst im letzten Jahr neu eingeführten Ausbildungen für Elektroniker für Energie- und Gebäudetechnik (m/w/d), Fachinformatiker für Systemintegration (m/w/d) und Chemielaborant (m/w/d). Geschäftsführer Stefan Hoechter sieht in ihnen „wichtige Fachkräfte von morgen und Innovationsmotoren von heute“. In der Kennenlernwoche standen neben dem Onboarding in den Fachabteilungen auch umfassende Einblicke zum Thema Arbeitsschutz und Notfallhilfe auf dem Programm. Den Höhepunkt bildete der gemeinsame Ausflug aller 50 Azubis zum Bergwacht-Zentrum für Sicherheit und Ausbildung in Bad Tölz.
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