© Pfarrer Rainer Maria Schießler
„Weihrauch, Weib und Wiederworte“ betitelt der Bayrische Rundfunk eine Dokumentation über einen ganz besonderen Geistlichen. Pfarrer Rainer Maria Schießler ist seit 1993 Pfarrer in St. Maximilian in München und erlangte durch seine unkonventionelle Seelsorge landesweite Bekanntheit. Mit der Etablierung der „Viecherl-Messe“, als Wiesnbedienung, der seinen ganzen Verdienst wohltätig spendet und als Podcast Host erfreut sich Pfarrer Schießler auf provokante, aber leidenschaftliche Art großer Beliebtheit über die Grenzen seiner Kirchengemeinde hinaus. Wir haben den „dialektalen Menschenfischer“ zu einem Gespräch über Verantwortung, Wandel und Chancen getroffen.
Interview: Sabrina Höflinger
Herr Pfarrer Schießler, bitte stellen Sie sich selbst kurz vor.
1960 wurde ich in einer einfachen Arbeitersiedlung in München-Laim geboren. Meine Eltern (Postbeamter und Hausfrau) waren kluge, fleißige und ehrfürchtige Menschen. Wir waren nicht reich und hatten doch alles, was uns eine glückliche Kindheit bescherte und die wichtigsten Bausteine für ein gutes Leben vermittelte: Bildung, Erziehung, Geborgenheit und vor allem Verantwortungsbewusstsein. Dies galt dem Leben allgemein und auch in besonderer Weise der Natur.
Meine Mutter war schon als Jugendliche, sie stammt aus dem Rupertiwinkel, in den Bergen daheim, und mein Vater war ein Genießer der Ruhe und der Erhabenheit, die die Berge uns schenken. So waren wir oft in den Bergen unterwegs, auf den Hausbergen vor München und in Österreich oder wir machten dort Urlaub, zum Beispiel im Allgäu oder in Tirol. Niemals hätten wir Fern- oder Flugreisen gemacht, lag doch das Schöne direkt vor der Haustür!
Diese bodenständige Erziehung machte aus uns, meinem Bruder und mir, zwei zielstrebige und selbstbewusste junge Menschen, die schon früh wussten, was sie einmal im Leben machen wollen. So wurde ich Pfarrer aus voller Überzeugung, ohne große göttliche Einwirkung, einfach nur, weil ich es wollte und ich das Glück hatte, dass es mir so viele Menschen um mich herum gezeigt haben, dass das mein Weg sein kann.
Woher kommt die Resilienz für Ihren Weg? Und woher kommt der Antrieb rebellisch und neu zu denken wider vieler Kritik?
Resilienz ist ok, rebellisch sein, das muss ich ablehnen., Da steckt das Wort „bellum“ drin und das bedeutet „Krieg“! Nie würde ich Krieg führen. Nie würde ich Dinge tun, weil ich gegen einen anderen bin oder mich gegen ihn wenden möchte. Ich setze mich immer für etwas ein: das Leben, den Menschen, den Glauben und die Kirche. Dabei muss ich nichts neu erfinden. Ich mache genau das, was ich lernen durfte – im Elternhaus, in meiner Pfarrei bei großartigen Menschen, Priestern und Laien, im Noviziat der Kapuziner, im Priesterseminar und in den Pfarreien, in denen ich bisher leben durfte. Ich schreibe und lebe fort, was mir diese Menschen geschenkt haben: Ehrfurcht vor der Wahrheit, Treue und Gewissenhaftigkeit. Nie würde ich diese Kirche bekämpfen oder gar verlassen. Sie ist meine Kirche und keiner wird sie mir kaputt machen können.
Wie definieren Sie für sich den Begriff Verantwortung? Gibt es unterschiedliche Definitionen in den Rollen als Pfarrer und als „Privatmensch“?
Nun, in Verantwortung steckt die „Antwort“ drin. Wenn ich jemanden etwas frage, gehört es dazu, dass man mir antwortet. Sich vor einer Antwort drücken, heißt, den anderen nicht ernst nehmen, unehrlich zu sein, ihn als gleichwertige Person abzulehnen, ihm nicht auf Augenhöhe begegnen zu wollen. Der andere hat das Recht darauf, dass ich ihm antworte, „Rede und Antwort stehe“ mit meiner ganzen Persönlichkeit. Da kenne ich keine Unterschiede, ob ich nun. Pfarrer bin oder Privatmann. Priester bin ich ja sowieso mit meinem ganzen Leben. Ob Sie mich fragen, ob ich an ein ewiges Leben glaube oder nicht, dann antworte ich ganz durch und durch als der ich bin, und nicht, weil ich Pfarrer bin. Ich bin kein Formelklopfer, sondern eine Person, also einer durch den etwas durchtönt, durchscheint (= per-sonare). Durch mich, durch meinen Glauben, mein Leben soll der Herrgott selber durchscheinen, wie durch jeden Menschen! Dann kann das Leben für alle gelingen. Das nenne ich Verantwortung.
Wie kann jede und jeder von uns mehr Selbstverantwortung, speziell im Bergsport, übernehmen?
Indem man zuerst einmal gleich akzeptiert, dass nicht jeder, der auf einen Berg geht, gleich eine Sportlerin oder ein Sportler ist. Man soll sich nicht mehr zumuten, als man wirklich kann. Die beste Skiausrüstung macht mich nicht zum Skirennfahrer. Eine gediegene Grundausrüstung erlaubt mir auch das alpine Gelände zu betreten, aber man muss nicht überall hin. Man ist immer auch ein potentielles Opfer seiner selbst und bringt durch einen eventuellen Unfall auch die, die ihn retten, in große Gefahr. Das gehört alles zur Verantwortung dazu, zu der man sich bekennen will.
Mir ist es 2022 leider passiert: ich war gut ausgerüstet, mit einer Gruppe unterwegs, absolut fit und doch bin ich auf 3000 Meter aus völlig unerfindlichen Gründen gestürzt, mitten in einem Gewitter, habe mir das linke Sprunggelenk abgedreht und wurde nur durch tolle Bergretter und eine wagemutigen Polizei-Heli-Piloten gerettet. Ich hatte Riesenglück, einen Meter und ich wäre 100 Meter tief abgestürzt.
Im September nun, ein Jahr danach, feierte ich mit all meinen Rettern eine Bergmesse auf dem Fundusfeiler, weil ich ihnen Vergelt´s Gott sagen wollte für ihren Mut, ihren Einsatz und ihre ganz selbstverständliche Art jeden, aber auch wirklich jeden, der in Not geraten ist, zu retten.
In die Berge geht man nie leichtsinnig und selbst dann kann es zu Unfällen kommen. Die Berge sind kein Freizeitpark. Wer sie genauso schätzt, kann bereits viel Unglück verhindern helfen
Welcher Wandel steht den Erholungssuchenden am Berg in den nächsten Jahren bevor?
Die Berge verändern sich durch den grassierenden Klimawandel massiv. Die immer schneller werdende Schneeschmelze, das Auftauen des Permafrostes, Steinschlag und Muren, all das sind keine Extremsituation mehr, das ist Bergalltag und wird immer massiver. Jeder Selbstversuch in den Bergen außerhalb gesicherter Wege muss unterbleiben. Die Lebenswelt der Tiere wird immer kleiner. Der Rückzugsraum der tierischen Alpenbewohner darf nicht angetastet werden. Der Mensch muss nicht überall hin, wohin er will oder kann.
Wie findet man heraus, welche Chancen im Wandel liegen?
Es gibt wohl kein Lebewesen, da so anpassungsfähig und wandelbar ist wie der Mensch. Tiere sterben aus, der Mensch erfindet Neues. Das Neue muss aber allen dienen und nicht nur mir persönlich. Der Mensch ist ein intellektuelles Wesen, das heißt er kann vorausplanen. Der Klimawandel wurde uns schon vor vielen Jahrzehnten vorausgesagt, wir haben ihn nur ignoriert. Jetzt zahlen wir die Rechnung – und müssen uns wandeln. Wir sehen es in der Energiewende: Die saubere Energie aus erneuerbaren Energiequellen schafft viele neue Arbeitsplätze und dient der Schöpfung. Wir müssen nur konsequent darin sein.
Auch die Bergwacht Bayern ist mit dem Thema Wandel konfrontiert. Was können Sie den aktiven Einsatzkräften mit auf den zukünftigen Weg geben?
Oftmals hört man von sehr verstörenden Erlebnissen mit Touristen in den Bergen, die sich sehr ungebührlich benehmen. Die Bergwacht ist nicht der „Hausel“ vom Dienst. Ihr beschützt nicht nur Urlauber, die sich verirrt haben, ihr beschützt auch unsere Berge. Dass es diesen Schutz heute so sehr braucht, da die Berge für viele eine reine Freizeitarea geworden sind, das ist zwar traurig, aber wahr. Meine Bitte: Fordert von uns Touristen den Respekt, der Euch und Euerer Arbeit gebührt. Ihr habt das Sagen in den Bergen. Ihr seid die, die uns den Weg zeigen, die uns ermahnen müssen und dürfen und uns vor allem dann korrigieren, wenn wir uns falsch benehmen. Vor allem aber: Stellt euer Licht nie unter den Scheffel! Geht kein Risiko ein, das euch selbst gefährden könnte.
BERGWACHT BAYERN
Berge sind unsere Welt - und das Leben darin birgt zahllose Herausforderungen. Am Steilhang. Auf der Piste. In Canyons, Höhlen und Seilbahnen. In der Krisenintervention genauso wie in der Natur - und Umweltarbeit.
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