© Hubert Heil
SCHÖNAU AM KÖNIGSSEE (ml) – Die Bergwacht-Bereitschaft Berchtesgaden, die Bergwacht-Region Chiemgau und der Kreisverband Berchtesgadener Land des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK) trauern um ihren über ein halbes Jahrhundert lang außergewöhnlich engagierten und verdienten Kameraden Hubert Heil, der am 27. November mit 89 Jahren verstorben ist. „Bescheidenheit, umfangreiches Fachwissen und Können und unermüdliche Hilfsbereitschaft haben ihn ausgezeichnet und für unsere Gemeinschaft über Jahrzehnte hinweg unentbehrlich gemacht!“, lobt Bergwacht-Urgestein und Zeitzeuge Berti Kastner, der von einem „imponierenden ehrenamtlichen Lebenswerk“ spricht. Hubert Heil hatte sein Hobby – die Bergwacht – mit Leidenschaft erfüllt und sich vor allem in der Luftrettung und in der Aus- und Fortbildung von Bergrettern lokal, regional und international mit viel investierter Energie, Zeit, Geduld und Genauigkeit einen anerkannten Namen als wertgeschätzter Fachmann gemacht.
Tu mehr als Deine Pflicht
Er war von 1959 bis 2009 überaus begeistert ehrenamtlich in der Bergwacht aktiv, auch danach noch bis zuletzt als geschätzter Pionier seiner Bereitschaft eng verbunden und besonders am Einsatz- und Ausbildungsgeschehen interessiert, wobei er die Evolution der Bergrettung mit in seiner Jugend zunächst oft noch einfachsten Mitteln durch immer wieder neue technische und notfallmedizinische Meilensteine bis heute selbst miterlebt und geprägt hat. Nach dem Motto „Tu mehr als Deine Pflicht“ übernahm er von Beginn an zusätzliche Verantwortung in verschiedenen Funktionen als Gerätewart (1960 bis 1972), Ausbilder (1965 bis 1989), Instruktor für Erste Hilfe und Sanitätsausbildung (1975 bis 2000), Schriftführer (1969 bis 1989), stellvertretender Bereitschaftsleiter (1981 bis 1989), Pressesprecher (2001 bis 2009) und Ausbildungsleiter der Bergwacht-Region Chiemgau mit ihrem 15 Bereitschaften und über 500 Einsatzkräften. Als Mitglied im Landesausschuss und in der Kommission für Ausbildung und Geräte der Bergwacht Bayern (1973 bis 2000) und langjähriges (1971 bis 2000) Mitglied in der Fachkommission Flugrettung der Internationalen Kommission für alpines Rettungswesen (IKAR – ab 1985 zweiter Vorsitzender) konnte er seine eigenen Erfahrungen bei oft schwierigen Einsätzen als weltoffener Mensch mit anderen intentionalen Experten austauschen, stets auch die Bergrettung mit neuen technischen und notfallmedizinischen Errungenschaften grenzüberschreitend mit weiterentwickeln und das erworbene Wissen wieder seiner Heimat zugutekommen lassen. Allein in der IKAR wirkte er bei 28 Tagungen und 13 Hubschrauber-Symposien in 13 Alpenländern sowie in Kanada, Norwegen, Polen und der früheren Tschechoslowakei mit.
Rund 600 Einsätze
Ab 1965 mehr als drei Jahrzehnte lang übernahm Hubert Heil als versierter Einsatzleiter die Verantwortung bei einer enormen Zahl an Rettungseinsätzen in den Berchtesgadener Bergen, darunter viele erfolgreiche Rettungen und Suchaktionen, aber auch zahlreiche Totenbergungen – in einem Rückblick von 1999 ist von rund 600 absolvierten Einsätzen, darunter 100 Totenberungen und 25 Lawinenunfällen in seiner aktiven Zeit die Rede.
Erste Hilfe & Notfallmedizin
Bereits 1955 wurde er an der BRK-Schule Ausbilder für Erste Hilfe und war dann dreieinhalb Jahre lang nach entsprechender mehrmonatiger Ausbildung im Rettungsdienst und in der Klinik im Sanitätsdienst der Polizei; mit dieser Erfahrung prägte er ab den 60er Jahren in der Bergwacht-Regionalausbildung die zuvor eher stiefmütterlich behandelte Sanitätsausbildung mit, wobei dann erstmals 1993 bis 1995 in Berchtesgaden ein bergwachtinterner Lehrgang für Rettungssanitäter mit zehn Teilnehmern stattfand. Sein Wissen sammelte er sich aus der Praxis, aus Büchern und im internationalen Austausch: Allein von 1971 bis 1999 nahm er an 16 internationalen Bergrettungsärzte-Tagungen in Innsbruck teil. Von 1993 bis 1996 wirkte er mit einem erheblichen Zeitaufwand an der Entstehung des Bergwacht-Lehrbuches mit. Etwa im gleichen Zeitraum arbeitete er mit Manfred Steffl (Grassau) und einem Team von Fachleuten aus Österreich, Südtirol und Slowenien an der Entwicklung der neuen zweiteiligen Gebirgstrage mit.
Rund 800 Bergwacht-Anwärter ausgebildet und geprüft
Von 1973 bis 2001 – also 28 Jahre lang – zeichnete Hubert Heil beispielgebend zunächst vier Jahre als Stellvertreter und dann als Regional-Ausbildungsleiter verantwortlich und kümmerte sich darum, dass seine Kameraden in den Disziplinen alpine Rettungstechniken, Erste Hilfe und Notfallmedizin, Wetter-, Schnee- und Lawinenkunde und Luftrettung mit dem Hubschrauber so gut wie möglich auf ihre Einsätze vorbereitet sind, wobei er dabei auch von seinen Erfahrungen im Brot-Beruf als Polizeibergführer profitierte.
In den 28 Jahren führte er 60 Ausbilder-Fortbildungen (unter anderem auch beim eidgenössischen Institut für Schnee- und Lawinenforschung in Davos und bei der Air Zermatt) in den unterschiedlichen Fachbereichen und über 50 Prüfungen mit insgesamt rund 800 Anwärtern durch und brachte zuletzt noch die neu gegründete und gemeinsam von Berg- und Wasserwacht betriebene Canyon-Rettungsgruppe für Einsätze in wasserführenden Schluchten mit auf den Weg. In 31 Jahren war Hubert Heil bei mindestens 260 Lehrgängen, Fortbildungen, Prüfungen, Tagungen der Bergwacht und der IKAR als Teilnehmer, Organisator oder Leiter dabei. Im gleichen Zeitraum leitete er im Lehrteam des Lawinenwarndienstes 43 Grund- und Fortbildungslehrgänge; insgesamt waren es 119 Lawinenkurse. Außerdem fungierte er bei 120 Alpinlehrgängen der Bayerischen Polizei als Ausbilder und Lehrgangsleiter. „Ausschlaggebend für seinen Erfolg waren sein umfassendes Fachwissen, seine Erfahrungen als guter Bergsteiger und insbesondere sein ruhiges, besonnenes und emphatisches Wesen, mit dem er sich ganz besonders um den Nachwuchs gekümmert hat“, erinnert sich Kastner.
1.200 Heli Flüge & zwei Abstürze
Ab 1960 war er in der Luftrettung im Gebirge ein Mann der ersten Stunde und half mit, den Heli als wichtiges Rettungsmittel am Berg zu etablieren und die Techniken stets weiterzuentwickeln und sicherer zu machen. Von 1991 bis 2000 organisierte er zehn zweitägige Grundlehrgänge Luftrettung für insgesamt rund 400 Bergretter, Heeresbergführer und Gäste aus den benachbarten Alpenländern auf der Reiter Alpe mit, an denen Experten wie Pit Schubert und Ali Siegert mitwirkten. Ab 1997 waren dann erstmals mit auf seine Initiative alle rund 450 aktiven Bergretter im Chiemgau einheitlich mit dem „Air Rescue Anseilgurt“ für Heli-Einsätze ausgerüstet, was ein enormer Sicherheitsgewinn war. Im Mai 1998 wurde dann in der Berchtesgadener Bergrettungswache unter Vorsitz von Hubert Heil die Arbeitsgemeinschaft Luftrettung gebildet, wobei er dann bei sechs Tagungen an verschiedenen Orten mit den Heli-Betreibern und den Bergwachten die Verfahren optimierte, vereinheitliche und dadurch die Zusammenarbeit wesentlich verbesserte. Von Januar bis Mai 2000 verhandelte er zusammen mit dem Rechtsanwalt Clemens Reindl mit dem Innenministerium erfolgreich den seit Jahren anstehenden Vollzug des Bayerischen Rettungsdienstgesetzes bezüglich der Zusammenarbeit der Bergwacht mit Luftrettungsmitteln. Er war selbst auf rund 1.200 Flügen mit 20 verschiedenen Hubschrauber-Mustern unterwegs, hat dabei zwei Abstürze überlebt und zwei weitere Beinahe-Abstürze mit dem Schrecken überstanden.
Lawinenwarndienst & Lawinenkommission
Das Thema Lawinen begleitete Hubert Heil seit dem 15. Mai 1965: Im Rahmen seiner Polizeibergführer-Ausbildung war der gebürtige Mittenwalder damals auf der Großen Reibe unterwegs. Beim Abstieg nach Sankt Bartholomä kam die Nachricht, dass die Gruppe sofort nach Garmisch sollte, wo sich ein großes Lawinenunglück ereignet hatte. Also mit dem Schiff über den See zurück, dann nach Garmisch und mit der Zahnradbahn hinauf zum Schneefernerhaus. Im Gespräch mit dem Berchtesgadener Anzeiger fiel es ihm Jahrzehnte später noch schwer, die schrecklichen Bilder von damals zu beschreiben: „1.000 Helfer waren bereits auf der Lawine, alle haben wie wild geschaufelt. Der Anriss war 350 Meter breit, niemand hatte zuvor so etwas gesehen!“ Zehn Tote und 21 schwer Verletzte waren die traurige Bilanz dieses Unglücks, das schließlich zur Geburt des Lawinenwarndienstes in Bayern führte. Dabei hatte die berufliche Karriere des gebürtigen Mittenwalders eigentlich ganz anders begonnen: Erst nach einer Schreinerausbildung meldete er sich zur Polizeiprüfung an. „Die wollte ich eigentlich gar nicht bestehen“, sagte er einmal dem Berchtesgadener Anzeiger. Tat es aber doch - und kam dann erst einmal zur Bereitschaftspolizei nach Eichstätt. Da gefiel es ihm erst einmal gar nicht, schließlich war er zu weit von seinen geliebten Bergen entfernt. Erst als er am 1. August 1959 zur Grenzpolizei nach Königssee kam, die damals am Helliel untergebracht war, machte ihm der Polizeidienst wieder richtig Spaß. Und dann kam ja ab dem Jahr 1965, dem Jahr des Lawinenabgangs an der Zugspitze, noch die Ausbildung zum Polizeibergführer. Da schien das Leben wieder in den richtigen Bahnen zu laufen. Neben seinem umfangreichen Engagement in der Bergwacht war Hubert Heil von 1966 bis vor wenigen Jahren auch noch für den Bayerischen Lawinenwarndienst als Beobachter sowie ständiger Messfeldbetreuer am Jenner aktiv. Darunter auch ein Vierteljahrhundert lang als Obmann der Lawinenkommission.
Bundesverdienstkreuz & Ehrenzeichen des Alpenvereins
Für sein enormes Engagement zum Wohl der Gesellschaft bekam er 1981 das Bundesverdienstkreuz und 1989 das Ehrenzeichen des Deutschen Alpenvereins für „Rettung aus Bergnot“. Diese und viele weitere Auszeichnungen waren ein Beleg dafür, wie sehr die Öffentlichkeit das Engagement Heil schätzte. Doch der Königsseer wusste auch, dass er damit seiner Familie in all den Jahren viel zugemutet hat. Ein wenig bedrückt klang Heil, als er dem „Berchtesgadener Anzeiger“ vor wenigen Jahren einmal sagte: „Der Piepser ging ja oft auch am Wochenende. Viele Familienausflüge sind dann ins Wasser gefallen.“ Doch die Familie – Ehefrau und drei Kinder – wussten stets, dass dieser selbstlose Einsatz zugunsten der Sicherheit der Bergsteiger und Skifahrer für Hubert Heil eine Selbstverständlichkeit war. „Den größten Teil seiner Freizeit hat er in den zurückliegenden Jahrzehnten dem Dienst am Mitmenschen gewidmet. Durch sein uneigennütziges Wirken für den gesamten Bergrettungsdienst, das weit über das übliche und geforderte Maß hinausreicht, hat sich unser Hubert außergewöhnliche Verdienste erworben. Wir werden ihm stets ein ehrendes Andenken bewahren und seinen Namen nicht vergessen!“, betont der Berchtesgadener Bereitschaftsleiter Rainer Kracher.
BERGWACHT BAYERN
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