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Gibt es ein Recht auf Rettung? Oder eine Rettung wider Willen? Wer haftet bei Fehleinsätzen? Fragen wie diese werden der Bergwacht immer wieder gestellt. Auskünfte von Dr. Klaus Burger, Jurist und Regionalleiter der Bergwacht Chiemgau.
Interview: Roland Ampenberger
Gibt es aus rechtlicher Sicht einen Anspruch auf Bergrettung, egal, wo ich mich befinde, unabhängig von der Tageszeit und den Wetterverhältnissen?
Burger: Es gibt einen gesetzlichen Anspruch darauf, dass bei Alarmierung über den Notruf 112 der Einsatzleiter der Bergwacht alarmiert und damit die Bergrettungskette in Gang gesetzt wird. Ob die Bergretterinnen und Bergretter Sie immer rausholen, ist eine weitaus komplexere Frage.
Wo verlaufen denn die Grenzen bei Rettungseinsätzen? Gibt es rote Linien?
Die Bergrettung ist keine absolut sichere Rettungsoption. Die Lebensrettung unter Opfer des eigenen Lebens wird von Rettern gesetzlich nicht gefordert. Im Gegenteil. Der Einsatzleiter hat vorrangig Unfälle und Gesundheitsgefahren seiner eingesetzten Kräfte zu verhüten, Gefährdungen zu beurteilen und Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Wir gehen ans Limit, mitunter darüber hinaus, aber manchmal müssen wir kapitulieren. Mit dem Hubschrauber ist heute vieles möglich. Sturm, Wolken, Nebel oder Dunkelheit können den Einsatz aus der Luft aber ausschließen oder kritisch verzögern.
Bestehen für die Durchführung eines Einsatzes konkrete gesetzliche Vorgaben, oder haben Sie und Ihr Team weitgehend „freie Hand"?
Weder das eine noch das andere. Es gibt kein Alpingesetz oder Bergrettungsgesetz mit geschriebenen Sorgfaltspflichten. Unsere Vorgaben ergeben sich aus unterschiedlichen Rechtsquellen. So ist insbesondere das am schnellsten verfügbare geeignete Einsatzmittel einzuplanen. Für die Führungskräfte gelten bei den Entscheidungen die Vorgaben des Arbeitsschutzgesetzes und schließlich ist allgemein auf alpine Verkehrsnormen und verbindliche Ausbildungsinhalte als indizieller Sorgfaltspflichtmaßstab zurückzugreifen.
Darf oder muss die Bergwacht auch die Rettung gegen den Willen von Personen durchführen?
Die Bergrettung steht im Spannungsverhältnis zwischen der Garantenstellung des alarmierten Retters für den Hilfsbedürftigen einerseits und andererseits dem Recht auf eigenverantwortliche Selbstgefährdung des Bergsteigers. Zwangsmaßnahmen sind grundsätzlich auch am Berg der Polizei vorbehalten. Falls wir am Berg die Verweigerung einer Hilfe, die aus unserer Sicht notwendig ist, akzeptieren und abrücken, bewegen wir uns auf rechtlich dünnem Eis, sofern dann doch etwas passiert und sich herausstellt, dass der Betroffene seinen Willen eigentlich nicht mehr frei bestimmen konnte. Ein sehr komplexes Thema!
Was passiert, wenn ich die Bergrettung alarmiere und sich der Einsatz als Fehleinsatz bzw. als nicht notwendig im Nachhinein darstellt? Wer trägt die Kosten?
Das Handy ist ja mittlerweile Teil der Notfallausrüstung. Wir empfehlen jedem, nach bestem Wissen und Gewissen bei vermeintlichem Hilfebedarf einen Notruf abzusetzen. Lieber einmal zu viel alarmieren als zu wenig. Leitstelle und Einsatzleiter Bergrettung bewerten dann schon die Einsatzindikation. Die Angst, hier als Alarmierender in Regress genommen zu werden, ist unbegründet. Also: Nicht erst in der Dunkelheit die 112 drücken! Und umgekehrt sind auch Mitteilungen bei unvorhergesehenen „Verspätungen“ angezeigt, wenn damit große Rettungsaktionen vermieden werden können. So war die Bergrettung in Chamonix wohl sehr froh, nachdem ich mich nach abenteuerlichem Alleingang bei unguten Bedingungen nach Erreichen einer Schutzhütte sogleich meldete, und so half, eine wohl aufwendige und für die Retter nicht ungefährliche Suchaktion zu vermeiden.
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